„Ich wünsche mir einen Neustart der afrikanisch-europäischen Partnerschaft“

Die Führungsspitzen der Afrikanischen und Europäischen Union sowie ihrer Mitgliedstaaten kommen am 17. und 18. Februar in Brüssel zu einem Gipfeltreffen zusammen, um ihre Partnerschaft zu vertiefen. Lisa Goerlitz, VENRO-Delegierte beim europäischen Dachverband CONCORD, erläutert, welche Ergebnisse sie sich von dem Treffen erhofft und was es für eine gleichberechtigte Partnerschaft braucht.

Mit welchen Themen werden sich die Staats- und Regierungsspitzen auf dem Gipfeltreffen befassen?

Das sechste Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union sieht eine Reihe Runder Tische vor zu den Themen

  • Wachstumsfinanzierung,
  • Gesundheitssysteme und Impfstoffherstellung,
  • Landwirtschaft und nachhaltige Entwicklung,
  • Bildung, Kultur und berufliche Bildung, Migration und Mobilität,
  • Unterstützung des Privatsektors und wirtschaftliche Integration,
  • Frieden, Sicherheit und gute Regierungsführung sowie
  • Klimawandel und Energiewende, Digitalisierung und Verkehr.

Wir erwarten eine politische Abschlusserklärung „A Joint Vision for 2030“, welche konkrete Ergebnisse festlegen und Initiativen für verschiedene Bereiche – einschließlich Gesundheit, Bildung, Migration und Mobilität – ankündigen wird.

Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf, um eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Afrika und Europa zu verwirklichen?

Angesichts der noch immer andauernden COVID-19-Krise sehen wir einen akuten Handlungsbedarf im Bereich der „menschlichen Entwicklung”, insbesondere was die Stärkung von Gesundheitssystemen und den Ausbau der Zusammenarbeit zur Erreichung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung angeht. Leider hat die COVID-19-Pandemie globale Ungleichheiten auf allen Ebenen verschlimmert. Der Kampf gegen Ungleichheiten – vor allem geschlechtsspezifische – sollte im Fokus aller vereinbarten Partnerschaften und der Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa stehen. Weiterhin beunruhigt uns der zunehmend eingeschränkte Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Die Führungsspitzen der Afrikanischen Union und der EU müssen sich dieser Entwicklung entschieden entgegenstellen und Maßnahmen ergreifen, die die Barrieren für zivilgesellschaftliche Einflussnahme abbauen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Gipfeltreffen?

Gemeinsam mit unseren afrikanischen und europäischen NRO-Kolleg_innen hoffen wir, dass die EU und die Afrikanische Union den Menschen und einen menschenrechtsbasierten Ansatz in den Mittelpunkt ihrer zukünftigen Zusammenarbeit stellen werden. In einer idealen Welt würde ich mir einen regelrechten Neustart der afrikanisch-europäischen Partnerschaft wünschen, welcher einen partizipativen Ansatz mit einer Vielzahl an Akteur_innen etabliert, eine transparente und gemeinsame Entscheidungsfindung sowie eine offene Informationskultur vorschreibt und vor allem verbesserte Rechenschaftsstrukturen ins Leben ruft.

Wie schätzen Sie die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen in den politischen Prozess vor dem Gipfel ein?

Es ist positiv zu beurteilen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen das Civil Society Organisations` Forum und das Youth Forum im Vorfeld des Gipfeltreffens organisieren konnten. Diese Foren wurden jedoch viel zu spät – um ehrlich zu sein, extrem kurzfristig – ins Leben gerufen. Zudem gab es nur sehr geringe bis keine Einflussmöglichkeiten, was die vorgesehene politische Abschlusserklärung angeht – welche ja im Vorfeld des Gipfels verhandelt wird. In den letzten Monaten haben wir die Bemühungen der EU,, sich mit der Zivilgesellschaft auseinanderzusetzen,, als eher „sporadisch” empfunden, es gab keinen strukturierten Dialog oder Konsultationen. Es ist grundsätzlich eine Herausforderung für Nichtregierungsorganisationen, an Informationen zu gelangen, – leider ein eindeutiges Zeichen für den schrumpfenden Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft.

Was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit afrikanischer und europäischer Zivilgesellschaft über den Gipfel hinaus?

Trotz der widrigen Umstände, wie Zeitdruck, Mangel an Informationen und Kapazitäten, empfinde ich die Zusammenarbeit zwischen der afrikanischen und europäischen Zivilgesellschaft rund um den AU-EU-Gipfel als sehr konstruktiv und solidarisch, und ich sehe ein großes Potenzial für eine höhere Wirkungskraft. Ich würde mir von europäischen und afrikanischen Entscheidungsträger_innen wünschen, dass nicht nur die Partizipationsmöglichkeiten am politischen Entscheidungsprozess erheblich ausgebaut werden, sondern auch, dass die andauernde und gleichberechtigte kontinentübergreifende Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen gefördert wird.

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